von Puki
Februar 2020
Meine Vorstellung vom Töpfern war immer verbunden mit dem Bild eines Menschen mit hochgekrempelten Ärmeln, bis zu den Ellbogen lehmbraun bekleckerten Händen und einem sich drehenden Lehmklumpen, aus dem Vasen oder Becher entstehen. Auch mit wenig attraktiven Tassen, wie sie auf Märkten oft angeboten werden. Und mit der kleinen rotbraunen Schale, die ich vor 25 Jahren in der Grundschule gemacht habe und die meine Mutter immer noch aufbewahrt. Wie weit diese Bilder von dem tatsächlichen Töpfern heutzutage abweichen, hätte ich nicht gedacht. Aber eins nach dem anderen.
Das MitmachAtelier ist eine Werkstatt, an der die Bewohner des Stadtviertels mehrmals täglich vorbeilaufen. Große Fenster in einem roten Backsteingebäude gewähren einen Blick in den geräumigen Raum, der mit Tischen, Stühlen, Farben, Pinseln, einem kleinen Brennofen und allerlei weiteren Kunstutensilien bestückt ist. Manchmal liegen kleine Flyer an den Fenstern aus, die über anstehende Kurse informieren. Und so bin auch ich zu einem Einsteigerkurs gekommen – nachdem ich an der Werkstatt circa vier Jahre lang vorbeigeschlichen war und mir immer wieder vorgenommen hatte, einen Töpferkurs zu besuchen.
Schließlich wählte ich einen Termin an einem Feiertag im Herbst, als es draußen grau und verregnet war. Ich zog mich warm und drecktauglich an in der Meinung, die geräumige Werkstatt wäre nicht beheizt. Und die erste Überraschung kam gleich beim Betreten der Werkstatt – drinnen war es mollig warm, denn der Brennofen war an und der erreicht Temperaturen bis zu 1.000° C.
Die gesamte Atmosphäre hat mich sofort angesprochen. Es war hell dank der riesengroßen Fenster, es war gemütlich dank der Sitzecke mit Kerzen, Blumen, Tee und Keksen, es war entspannt dank der freien Anordnung der Gegenstände, die zwar alle ihren Platz haben, aber nicht museumsartig behütet werden und es war befreiend dank der hohen Decken und großen Freifläche – eine Mischung aus Loft und Industriecharme –, was Gedanken und Gefühle zum freien Lauf motivierte.
Ich bekam einen Tisch zugeteilt, darauf eine große Holzplatte, die meine Arbeitsfläche wurde, dann kam ein Batzen frischer Ton hinzu, ein überdimensionales Nudelholz, kleine Holzmesser, Ausstechförmchen, Spitzendeckchen, Holzstempel und eine große Papprolle, da ich vorhatte, eine hohe Vase für unsere Sonnenblumen zu töpfern. Die Künstlerin und Werkstattleiterin, eine sympathische, ruhige Mittvierzigerin, erklärte mir, was zu tun sei. Und nach einer knappen Stunde hatte ich tatsächlich eine Vase modelliert, die anschließend fachmännisch ein bisschen nachgebessert wurde. Da ich mehrere Stunden für den Kurs eingeplant hatte, blieb noch genug Zeit, um ein Tassenset zu modellieren – mit einem zerfransten Außenrand, für den ich gehäkelte Spitzendeckchen in eine dünn ausgerollte Tonschicht hineinwalzte.
Nach fast drei Stunden Töpfern waren meine Hände zwar vom Kneten müde, aber mein Kopf von allen lästigen Gedanken befreit, ähnlich wie nach einem Saunagang, einer Meditation oder einem anstrengenden Sporttag.
Meine getöpferten Gegenstände mussten jetzt mehrere Stunden trocknen, würden anschließend gebrannt, danach könnte ich sie glasieren, anschließend würden sie erneut gebrannt und stünden zur Abholung bereit. Und so geschah es auch.
Doch ich ahnte schon nach dem ersten Termin, dass ich nicht nur noch einmal zum Glasieren und Abholen in die Werkstatt kommen würde.
Ich konnte es kaum erwarten, wieder in die Werkstatt hinzugehen. Als ich meine gebrannten Gegenstände sah, staunte ich zunächst, dass sie weiß waren. Längst werden nämlich nicht nur rotbraune Tonarten verwendet, sondern auch weiße und grauschwarze. Ich begutachtete also meine selbstgemachten, etwas schiefen und doch so vollkommenen Tassen sowie die hohe Vase und freute mich wie ein Kind. Der nächste Schritt war nun, eine Glasur aufzutragen.
In der Werkstatt stehen mindestens zwei Dutzend Farben zur Auswahl, sodass man sehr gut bedient ist. Die Glasuren haben die Eigenart, dass sie das Geschirr zum Glänzen bringen und zwar in strahlend bunten Farbtönen. Meist pastellartig, aber auch im kräftigen Orange, Himbeerrot, Smaragdgrün und Kobaltblau. Ich wählte eine bunte Mischung in warmen Herbsttönen für mein Töpfergut, weil ich es nicht einfarbig glasieren wollte. Die Schwierigkeit bestand jetzt darin, die Farben in der Vorstellung zu abstrahieren und aufeinander abzustimmen, denn ihren eigentlichen Farbton würden sie erst nach dem zweiten Brennen annehmen – bis dahin waren sie alle milchig weiß und fast identisch. Ich wollte mich ein bisschen überraschen lassen, was am Ende herauskommt. Nach dem Glasieren erschien mir die Zeit bis zur nächsten Woche, in der ich die Sachen abholen würde, sehr, sehr lang…
Was genau man hier in der Werkstatt modelliert, bleibt einem selbst überlassen. Ich selbst bin so begeistert von der Alltagstauglichkeit der bunt glasierten Gegenstände, dass ich mit Schalen, Tassen und Vasen sehr zufrieden bin. Auch hat es sich in meinem Umfeld inzwischen herumgesprochen, dass ich ein bisschen töpfere und das Interesse an den bunt getöpferten Sachen ist enorm.
Es gibt aber auch Leute, die keine Gebrauchsgegenstände töpfern. Von Ostereiern über vollbusige Büsten, Engel, Meeresmonster bis hin zu südamerikanischen Göttinnen, wie der Patchamama, ist alles dabei. So individuell wie die Interessen und Vorlieben der Töpfernden, so individuell ist auch die Betreuung – man kann sich abseits an einen einzelnen Tisch setzen und einfach in Ruhe modellieren oder aber an einen größeren Tisch mit mehreren Leuten und in geselliger Runde zusammen töpfern. Die Werkstatt ist nämlich weitaus mehr als ein Ort, an dem man sich handwerklich-künstlerisch austoben kann. Er ist auch ein Ort des Zusammentreffens, der Entspannung, des Miteinanders – für all diejenigen, die es wollen. Ein großer Tisch lädt dazu ein, sich bei einem Tee oder Kaffee einfach auch zu entspannen, was besonders gut funktioniert, weil man aus schönen handgemachten Tassen trinkt. Kekse, Pralinen oder Chips, die oft von „Stammgästen“ mitgebracht werden, ergänzen die legere Atmosphäre. Und es wundert mich auch nicht, dass nicht nur Bewohner des Stadtviertels hierher zum Töpfern kommen, sondern manche sogar aus angrenzenden Ortschaften anreisen, denn im MitmachAtelier stimmt einfach alles.