Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen

LESEECKE: DIE BESONDERE TRAURIGKEIT VON ZITRONENKUCHEN

rezensiert von PUKI


Dezember 2015


Die Idee für den Roman ist sehr originell – ein Mädchen nimmt über den Geschmack von Speisen die Gefühle all derer wahr, die an allen Stadien der Zubereitung dieser Speisen beteiligt waren.

Die Grundstimmung der Erzählerin und Protagonistin ist gedrückt, was sich auch auf den Leser überträgt. Ihr Leben bietet ihr wenig Freude, die Familiensituation ist nur nach außen hin idyllisch – sie kämpft das ganze Buch über um die Aufmerksamkeit ihres älteres Bruders, ihrer in eine Liebesaffäre verstrickten Mutter und ihres beruflich stark eingespannten Vaters. Da sich keines der Familienmitglieder für sie Zeit nimmt, erkennt niemand ihre Gabe und den damit einhergehenden Druck – sie kann bspw. unterschiedliche Gemüsesorten ihrem Herkunftsort zuordnen und weiß, in welcher Stimmung der Farmer bei der Ernte war, kann aber gerade deshalb die meisten Mahlzeiten nicht richtig genießen.  

In der zweiten Hälfte des Buches wird das Mysteriöse noch weiter ausgebaut, indem bekannt wird, dass über ähnliche „Gaben“ auch der Großvater, der Bruder und evtl. auch der Vater des Mädchens verfügen bzw. verfügten. Diese identifikationsstiftende Information bedeutet für das psychische Wohl der Protagonistin eine Wende, da sie ihr Talent nicht mehr als befremdlich ansieht, sondern als vererbt einstufen kann. Hinsichtlich des Buchaufbaus fällt diese Information wie aus dem heiteren Himmel – als wäre der Autorin nach der Hälfte der Schreibarbeit eine neue Idee eingefallen, sie aber keine Zeit gehabt hätte, diese von Anfang an in ihren Roman einzubauen. Falls auf diese Weise im Leser die Überraschung der Protagonistin, die ihre Gabe erst spät als vererbt einordnen kann, widergespiegelt werden sollte, halte ich diese Entscheidung für nicht gelungen – viel spannender wäre es, als Leser von Anfang an einige Hinweise darauf zu bekommen, dass die Gabe der Protagonistin familienbedingt ist, und den Moment abzuwarten, in dem sie dies selbst herausfindet.

Da das Buch sprachlich keine Besonderheiten bietet, ist es schade, dass zumindest bei den beiden Leitthemen, nämlich Essen und Emotionen, auch kein Raffinesse geboten wird. Die beschriebenen Speisen sind auf eine sehr durchschnittliche Auswahl wie Pizza und Kekse beschränkt, wiederum die zugehörigen Emotionen erschöpfen sich, bis auf einige Ausnahmen, in Grundstimmungen wie Traurigkeit, Wut oder Liebe. Im Nachhinein wünscht man sich, die Autorin hätte ein bisschen mehr Mut zur Extravaganz bewiesen – die sich in der Originalität der Geschichte ja bereits andeutet – und sich viel mehr Zeit bei der Ausarbeitung der als wesentlich anzusehenden Elemente ihres Buches gelassen.

Rezensiert wurde:
Bender, Aimee (2012): Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen. Übers. Christiane Buchner und Martina Tichy. Berlin: Berlin Verlag Taschenbuch. [Originaltitel: The Particular Sadness of Lemon Cake. New York: Doubleday, 2010.]  


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